Getrübte Dorfidylle in der Nachbargemeinde Köniz
Vom Verkehr überfahren
5. November 02

von Andreas Flückiger

Unsere Nachbargemeinde Köniz wird eingeholt von den Fehlplanungen der Fünfziger- und Sechzigerjahre. Die rasante Siedlungsentwicklung in mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur ungenügend erschlossenen Gebieten, wie Schliern und Niederscherli, führt im Ortskern von Köniz zu einer permanenten Verkehrsüberlastung.

Blick auf den Weiler Büschi und die Schwarzenburg-strasse
(Fotomontage)

(Zu) spät versuchen Verkehrsplaner von Kanton und Gemeinden den Schaden zu korrigieren. Im Rahmen einer Korridorstudie Bern-Schwarzenburg-Wangental wurden unter der Regie der Regionalen Verkehrskonferenz Bern Mittelland Lösungen gesucht, wie der Verkehr effizienter abgewickelt und den Wohnquartieren ihre Lebensqualität, zumindest teilweise, zurückgegeben werden könnte. Der Schlussbericht liegt nun vor.

Trotz des regierungsrätlichen Auftrags, zukünftigen Mehrverkehr innerhalb der Agglomerationen mit öffentlichen Verkehrsmitteln abzuwickeln, wurden keine überzeugenden Verkehrskonzepte entwickelt, sondern vor allem ein weiterer Ausbau des Strassennetzes ins Zentrum der Überlegungen gestellt. Eine Querverbindung von Schliern zur Schwarzenburgstrasse und weiter zur Landorfstrasse soll den im Dorf Köniz unerwünschten Verkehr nach Niederwangen und Bümpliz ableiten. Dies obschon Befragungen gezeigt haben, dass das Verkehrsaufkommen in der Morgenspitze klar nach Köniz/Liebefeld und die Stadt Bern orientiert ist (Muhlernstrasse 60%, Schwarzenburgstrasse 77%).

Grafik aus dem Schlussbericht der Korridorsstudie von Oktober 2002

Köniz will Dorf bleiben - und möchte dafür das Wangental opfern
Köniz sieht sich zunehmend mit jenen Infrastrukturproblemen konfrontiert, mit denen bis anhin vor allem die Stadt Bern zu kämpfen hatte. Der durch die Obere Gemeinde, die Grosssiedlungen in Schliern und die Entwicklung von Niederscherli verursachte Verkehr macht die ehemals attraktiven stadtnahen Wohngebiete von Köniz und Liebefeld zunehmend unbewohnbar. Köniz wird in gewissem Sine vom eigenen Erfolg überfahren. Im Gegensatz zur Stadt Bern, welche in grossem Stile vom Verkehr der Agglomerationsgemeinden betroffen ist, ist aber der Verkehr in Köniz weitgehend hausgemacht. Die Benutzer des Strasseninfrastruktur sind tatsächlich auch grösstenteils Steuerzahler der Gemeinde.


Die Lösung ist gefunden - es muss nur noch das passende Problem gesucht werden
Entlastung sucht die Gemeinde Köniz mit der Querverbindung nach Niederwangen. Die ursprüngliche Idee, den Verkehr von der Schwarzenburgstrasse auf der Höhe Büschi, mittels einer neuen Strasse auf die bereits ausgebaute Landorfstrasse und via Niederwangen nach Bümpliz, auf die Freiburgstrasse oder via Autobahn ins Zentrum zu führen, hat sich als untauglich erwiesen.

Eine umfangreiche Verkehrsbefragung, welche von der interfakultären Koordinationsstelle für allgemeine Ökologie im März 2002 durchgeführt wurde, hat aufgezeigt, dass für die Querbeziehung Schwarzenburgstrasse-Landorfstrasse gar keine Nachfrage besteht. Nur gerade 100 (!) Fahrzeuge würden in der Morgenspitze diesen Weg wählen. Keine spürbare Entlastung für die Ortsdurchfahrt von Köniz mit einem durchschnittlichen täglichen Verkehr von 17'700 Fahrzeugen.

Allerdings vermag das Ergebnis der Befragung kaum zu erstaunen: Die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, welche aus Richtung Schwarzenburg oder Niederscherli nach Niederwangen, Bümpliz oder auf die Autobahn wollen, benützen die Querachsen der oberen Gemeinde (Mittelhäusern-Thörishaus und Gasel-Oberwangen), und das ist auch richtig so: Es ist kaum sinnvoll, diesen Verkehr bis nach Köniz zu führen, um ihn vor den Toren des Zentrums mit aufwändigen Massnahmen quer abzuleiten. Dass sich der Bau einer 7 Millionen Franken teuren Querverbindung für dieses bescheidenen Aufkommen kaum lohnen dürfte, versteht sich von selbst.

Blick von der Schwarzenburgstrasse Richtung Landorfstrasse (Fotomontage)
Eine à-niveau-Querung der GBS-Linie dürfte allerdings kaum in Frage kommen, so dass zusätzlich aufwändige Kunstbauten erforderlich werden.

Was tun, wenn eine neue Strasse gebaut werden soll, dafür aber kein Bedarf besteht?
Ganz einfach: man macht die Strasse noch 1 Km länger!
Von der Idee der Süd-West-Tangente offenbar immer noch begeistert, legen die Verkehrsplaner nun im Schlussbericht eine neue Variante vor, bei welcher die Querverbindung von der Schwarzenburgstrasse weiter bis nach Schliern verlängert werden soll.

Die so genannte Variante "Maximum" umfasst die ganze Spange (Landorfstrasse-Schliern). Wenn gleichzeitig in Köniz ein "sehr hoher Widerstand" aufgebaut würde, liessen sich laut Verkehrmodell bis 40% des Verkehrs von der Muhlernstrasse Richtung Stadt auf die neue Querverbindung "umpolen". Unter diesen Voraussetzungen könnten bis zu 380 Fahrten umgelagert werden. Auf dem Neuhausplatz wäre so eine Reduktion von 13% der Gesamtverkehrsmenge zu erreichen. Allerdings ist eine Abnahme von 13% weder wahrnehmbar, noch führt sie zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensqualität.

War da der Wunsch Vater des Gedanken?
Walo Hänni, Baudirektor von Köniz und Präsident der RVK Bern-Mittelland

Mitwirkung als Farce
Die Lösung einer neuen Querverbindung Schwarzenburgstrasse-Landorfstrasse, wurde von den Ingenieuren, Verkehrsplanern und Interessenvertretern im Rahmen der Partizipationsveranstaltungen von Beginn an suggestiv vorgezeichnet. Der Präsident der Regionalen Verkehrskonferenz und Baudirektor von Köniz, Walo Hänni, hat mit klar vorgefassten Konzepten in die Mitwirkung eingegriffen und stets in eigener Sache interveniert.

Aus Bümplizer Sicht ist die Idee, in Köniz unerwünschten Verkehr mit Zwangsmassnahmen ins Wangental abzuführen, inakzeptabel. Die Absicht, den Verkehr aus dem Raum Schliern Richtung Autobahn neu zu bündeln, hat nicht abschätzbare negative Auswirkungen auf Bümpliz und Bottigen. Die beiden QBB-Vertreter im Mitwirkungsgremium haben sich vergeblich gegen die übermächtigen Interessenvertreter und ihre vorgefassten Meinungen gewehrt.

Ein Schlussbericht mit Überraschungen
Interessanterweise wurde die Idee einer durchgehenden Spange von Schliern bis Niederwangen in der Partizipationsgruppe überhaupt nie vorgestellt oder diskutiert. Im Schlussbericht taucht diese Variante nun aber plötzlich auf. Neue Erkenntnisse oder schlicht Verheimlichen von planerischen Würfen aus Angst vor Kritik? Der Stellenwert, welcher der im Raumplanungsgesetz des Bundes verankerten Mitwirkung der Bevölkerung zugemessen wird, ist offensichtlich noch immer gering.

Auch wurden die Befragungsergebnisse, welche massgeblich Aufschluss über die Transportbedürfnisse der Bevölkerung geben würden, den Mitgliedern der Mitwirkungsgruppe nicht zur Verfügung gestellt.

Und der öffentliche Verkehr ?
Zu guter Letzt darf festgehalten werden, dass im Schlussbericht auch ein Bündel von öV-Massnahmen aufgeführt ist, welche immerhin in erster Priorität realisiert werden sollen. Allerdings handelt es sich fast ausschliesslich um Massnahmen, die ohnehin im Rahmen anderer Planungen (z.B. der S-Bahn Bern) realisiert werden sollen und keine zusätzlichen Kosten verursachen. Insgesamt zeigten sich die Experten der BLS und des Amtes für öffentlichen Verkehr im Rahmen der Partizipationsgruppe sehr zurückhaltend in Bezug auf die Förderung des öffentlichen Verkehrs. Sie beschränkten sich darauf aufzuzeigen, dass der öV die geforderten Leistungen nicht alle erbringen könne. Eine noble Zurückhaltung, welche man von Strassenvertretern nie zu hören bekommt.


zurück

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Artikel zum Thema:
Verkehr nach Bümpliz abschieben
Lärmbekämpfung